Friedensglocke für St. Johannes, Roigheim (Teil 1)

Friedensglocke für St. Johannes, Roigheim                                                                       

Im Rahmen der Initiative „Friedensglocken für Europa“ des Rottenburger Bischofs Dr. Gebhard Fürst erhält die Katholische Kirche in Roigheim eine neue Glocke. Unsere dreiteilige Serie erzählt die Geschichte der Kirche und ihrer Glocke.

 

Teil 1: In Roigheim entsteht eine katholische Kirchengemeinde

Der zweite Weltkrieg hatte überall Spuren der Verwüstung hinterlassen. Auch in Roigheim hatten viele ihren Ehemann, Vater und Sohn im Krieg verloren, und so mussten in den bäuerlichen Familien alle Familienmitglieder mitarbeiten, um den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Viele, hauptsächlich Frauen mit ihren Kindern, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, kamen nach einer traumatischen Flucht in Dörfern und Städten im westlichen Teil Deutschlands unter. Diese Heimatvertriebenen mussten untergebracht und versorgt werden. Von der Dorfbevölkerung sowie von den Neubürgern wurden dabei große Opfer abverlangt. In Roigheim fanden die Heimatvertriebenen z.B. auf den Feldern, bei der Firma Christian Authenrieth sowie im Gipswerk sehr schnell Arbeit.

 

Roigheim war seit der Reformation evangelisch, und so besuchten die wenigen Katholiken den evangelischen Gottesdienst. Die Situation änderte sich erst, als Roigheim etwa 400 Heimatvertriebene zugewiesen wurden. Die Katholiken wurden vom 23 km entfernten Berlichingen betreut, und die Gläubigen sowie der Pfarrer mussten große Anstrengungen auf sich nehmen, um gemeinsam Gottesdienst feiern zu können. Die Messe wurde nur unregelmäßig in den Wohnbaracken, die unterhalb der Bittelbronner Straße standen, gefeiert. Auch besuchten die hiesigen Katholiken Gottesdienste in Sennfeld, die in der verwaisten Synagoge stattfanden.

 

Im Jahre 1948 waren so viele katholische Familien mit Kindern im Ort, dass eine Erste Heilige Kommunion in der evangelischen Kirche gefeiert werden konnte. Im Jahre 1949 bekam der Heimatlosenseelsorger Rudolf Czerny vom Bischöflichen Ordinariat den Auftrag, von Möckmühl aus die seelsorgerische Betreuung der Katholiken in Roigheim zu übernehmen. Dazu musste ein Raum gefunden werden, in dem die neue Gemeinde zusammenkommen konnte. Diesen fand man in der „neuen Schule“ an der Möckmühler Straße. Dort fanden erstmals nach der Reformation wieder regelmäßig katholische Gottesdienste in Roigheim statt.

 

Die Bänke im Schulhaus waren für Erwachsene sehr unbequem, und so wurde die evangelische Gemeinde unter Vorsitz von Herrn Pfarrer Gette um Mitbenutzung ihres Gotteshauses gebeten. Ab Herbst 1951 fanden dann Gottesdienste in der evangelischen Kirche statt. Lehrer Karl Jäger, der selbst evangelisch, aber der neuen Gemeinde sehr wohlgesonnen war, spielte nun die Orgel am Vormittag im evangelischen und am Nachmittag beim katholischen Gottesdienst. In Roigheim wurde Ökumene sehr „brüderlich“ gelebt.

 

Die kath. Kirchengemeinde wünscht sich ein eigenes Gotteshaus

Der Wunsch der Gläubigen nach einer eigenen Kirche wurde im Laufe der Zeit immer stärker. Während eines Gottesdienstes wurde abgestimmt, wer für einen Kirchenbau wäre und dafür bereit sei, ein monatliches Opfer zu erbringen: Die Mehrheit stimmte zu, und jede Familie trug ihren Teil, trotz der geringen persönlichen Mittel, bei.

 

Pfarrer Rudolf Czerny schrieb im September 1952 an das Bischöfliche Ordinariat Rottenburg über die Lage und den Wunsch der Gläubigen, eine eigene Kirche zu bauen. Auch Bürgermeister Eugen Reichert wurde unterrichtet und gebeten, ein dazu passendes Gelände zu überlassen, das sich mit dem 1000 qm großen Grundstück in der heutigen Eugen-Reichert-Straße 57 fand. Die Kaufverträge mit den Eigentümern, der Gemeinde Roigheim und der Fa. Chr. Authenrieth, konnten am 26. März 1953 unterzeichnet werden. Eine wichtige Hilfe bei der Finanzierung waren dabei die Bettelpredigten von Pfarrer Rudolf Czerny, die er im Dekanat Bad Mergentheim hielt.

 

Heimatvertriebene Priester konnten damals in Klöstern sowie bei einzelnen Familien in der Schweiz, Belgien und Holland Urlaub machen. Die Ostpriesterhilfe in Königstein im Taunus war die Vermittlungsstelle. Pfarrer Czerny bat im Jahre 1952 dort um einen Ferienplatz. In De Pinte nahe Gent in Belgien verbrachte er bei Familie van Overbeke nahezu vier Wochen. Dort erzählte er von seinem gewünschten Bauvorhaben in Roigheim, und die Gastfamilie beschloss sofort zu helfen. Es wurden Studenten zusammengetrommelt, die in den Osterferien 1953 nach Roigheim kamen und mit dem Bau begannen. Die Ostpriesterhilfe aus Tongerloo schickte eine Bautruppe vom 7.-16. April 1953. Die benötigten Lebensmittel wurden vorausgeschickt. Am 1. Juli 1953 konnte Richtfest der ersten katholischen Kirche in Roigheim gefeiert werden. In Belgien ging die Spendenaktion weiter, unter anderem wurden Konzerte zu Gunsten des Kirchenbaus abgehalten.

 

Weihe der Kirche St. Johannes

Die Kirche wurde am 5. September 1953 dem Apostel und Evangelisten Johannes geweiht. Dazu reisten auch 40 belgische Gäste an, die bei Roigheimer und Möckmühler Familien und Gastwirtschaften untergebracht wurden. Im Dezember 1953 erhielt die Kirche zudem eine während des Krieges in Trzanowitz im heutigen Tschechien konfiszierte Glocke. Seit 70 Jahren hat diese Leihglocke aus Tschechien zu allen Gelegenheiten, bei Freud und Leid, zum Gottesdienst gerufen. In dieser Zeit waren in unserer Gemeinde Pfarrer Rudolf Czerny, Pfarrer Hubert Hahn, Pfarrer Dr. Henryk Gluszak, Pfarrvikar Benedict Wilson sowie derzeit Pfarrer Pater Dr. Reji John und Gemeindereferentin Claudia Wahl als Seelsorger tätig.

 

 

Klara Krebs                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Fortsetzung folgt